Innerhalb weniger Tage bebte zum zweiten Mal der Boden auf der von Russland annektierten Halbinsel Krim. Mehrere Explosionen trafen russische Stützpunkte, darunter ein Munitionsdepot. Bisher hat niemand die Verantwortung für die Angriffe übernommen. Die Ukraine zeigt sich zufrieden, hält sich aber bedeckt. Der russische Geheimdienst FSB spricht derweil von einem “Sabotageakt” und nimmt sechs Männer der islamistischen Organisation Hizb ut-Tahrir fest. Wer genau die Männer sind, verriet der FSB nicht. Während der Kreml Islamisten nicht offiziell für die Explosionen verantwortlich macht, wurden die Verhaftungen in der Krimstadt Dzhankoy vorgenommen, nicht weit von den beschädigten Munitionsdeponien entfernt. Dies lässt den Eindruck entstehen, dass die Festnahmen mit den Anschlägen zusammenhängen. Seit der russischen Annexion der Krim im Jahr 2014 wurden ukrainische Krimtataren mehrfach wegen Mitgliedschaft in Hizb ut Tahrir festgenommen und verurteilt. Die islamistische Gruppierung ist in Russland als Terrororganisation verboten. Die Hizb ut-Tahrir (arabisch für „Partei der Befreiung“) entstand nach Angaben der Federal Agency for Citizen Education Anfang der 1950er Jahre in Jerusalem und wurde vom palästinensischen Juristen Taqi ad-Din an-Nabhani gegründet. Der Kern ihrer Ideologie stellte zunächst die Befreiung Palästinas von der israelischen „Besatzung“ dar. In den folgenden Jahren verlagerte sich der Fokus von Hizb ut Tahrir auf die Befreiung aller Muslime auf der ganzen Welt von der vermeintlichen westlichen Unterdrückung. Auch in Deutschland gibt es Zweigstellen der Organisation. Sie operieren im Untergrund, da sie seit 2003 verboten sind.

“Kreml treibt Schauspieler voran”

Seit Ausbruch des Krieges in der Ukraine behaupten immer mehr arabische Gelehrte und Akademiker, die Krim und die Ukraine seien islamische Länder, die “zurückgewonnen” werden müssten, schreibt die Nahost-Denkfabrik Mena-Watch. Einer von ihnen, der jordanische Islamwissenschaftler Said Radwan, sagte im März in einem Interview, dass jedes Land, das einst von islamischem Recht regiert wurde, für immer ein islamisches Land sei. Ausgestrahlt wurde das Interview vom libanesischen Sender „Al-Waqiya TV“, der eng mit der Organisation Hizb ut-Tahrir verbunden sein soll. Die Islamisten haben also ein Motiv für die Anschläge auf der Krim. Und noch etwas: Große Teile der muslimischen Minderheit waren während der Sowjetzeit massiver staatlicher Repression ausgesetzt und lehnen die heutigen russischen Machthaber klar ab. Auch Russlands Intervention in Syrien spielt eine Rolle. Es bleibt jedoch zweifelhaft, ob Hizb ut-Tahrir hinter den jüngsten Anschlägen auf der Krim steckt. “Es gibt immer wieder islamistische Organisationen, die versuchen, auf dem Territorium der Russischen Föderation zu operieren”, sagt Politologe Stefan Meister gegenüber ntv.de. Es ist also nicht unmöglich. Für Meister klingt das allerdings eher nach einem Ablenkungsmanöver der Russen. Er sieht keine plausible Erklärung dafür, dass islamistische Gruppen plötzlich dort zuschlagen, wo die Ukraine angreift. Stattdessen übt der Kreml wahrscheinlich Druck auf andere Akteure aus, Kiew nicht zur Rechenschaft zu ziehen. „Die Ukraine für die Angriffe verantwortlich zu machen und damit zuzugeben, dass sie in der Lage ist, die Krim anzugreifen, ist für Russland äußerst problematisch“, sagte Meister.

Das Video zeigt die mutmaßliche Festnahme

Der Verteidigungsexperte Wolfgang Richter von der Deutschen Stiftung für Internationale Politik und Sicherheit (SWP) stimmt dem zu. Das wäre ein Reputationsverlust für Russland, sagt er gegenüber ntv.de. Es ist sehr wahrscheinlich, dass sich einzelne Aktivisten islamistischer Gruppen in der Gegend aufhalten. Richter hält es jedoch für unwahrscheinlich, dass es sich um Sabotageaktionen handelte. Videos von den ersten Explosionen in Novofeodorivka vor einer Woche ließen den Verdacht aufkommen, dass es sich um Raketenangriffe handelte. „Aufgrund der Reichweite und Treffsicherheit hätte es entweder eine Poseidon- oder eine HRIM2-Rakete der Ukrainer sein können“, vermutet Richter. Es gab mehrere Explosionen, die fast gleichzeitig innerhalb von mehreren hundert Metern auftraten. Bei einem Sabotageakt ist es schwer vorstellbar, dass sich mehrere Akteure gleichzeitig von weit entfernten Orten in das Gelände eines gut gesicherten Flughafens eingeschlichen haben könnten, um eine derart synchronisierte Symbolkette auszulösen. Für Sicherheitsexperte Stefan Meister sind die Explosionen Teil eines neuen Anschlags. „Wir befinden uns in einer neuen Phase des Krieges, in der die Ukraine in der Lage ist, Angriffe auf das Territorium der Krim zu starten. Wir werden dies häufiger angesichts der von Russland kontrollierten Gebiete sehen.“ Russland steckt Experten zufolge in einem Dilemma: Einerseits kann es Munitionsdepots oder Schlachtschiffen wie der Moskwa nicht ständig die Schuld an Explosionen zuschieben, weil das die Schwächen des russischen Militärs aufzeigen würde. Andererseits können sie die Ukraine auch nicht für die Angriffe verantwortlich machen, da sie anerkennen, dass die Ukraine zu solchen Angriffen fähig ist, und den Druck auf Russland erhöhen, zurückzuschlagen. Aber auch die Ukraine bekenne sich nicht offiziell dazu, “denn das würde sie in eine Eskalationsspirale treiben”, erklärt Meister. Unterdessen kursiert im Internet ein Video, das angeblich die Verhaftung eines Hizb-ut-Tahrir-Mitglieds zeigt. Es zeigt russische Soldaten, die in ein Haus marschieren und einem Mann die Hände auf den Rücken und gegen die Wand legen. Die ukrainische Journalistin Kateryna Sergatskova vom Online-Nachrichtenportal „Zaborona Media“ wirft dem FSB vor, die Festnahme inszeniert zu haben. Außerdem sollen die sechs Islamisten laut Richter vor der Explosion am Dienstag festgenommen worden sein. Wer wirklich hinter den Anschlägen auf der Krim steckt, wird sich erst in den kommenden Wochen zeigen.


title: “Russland Braucht Einen S Ndenbock Werden Islamisten Hinter Den Anschl Gen Auf Der Krim Verurteilt Klmat” ShowToc: true date: “2022-11-22” author: “Florence Linn”


Innerhalb weniger Tage bebte zum zweiten Mal der Boden auf der von Russland annektierten Halbinsel Krim. Mehrere Explosionen trafen russische Stützpunkte, darunter ein Munitionsdepot. Bisher hat niemand die Verantwortung für die Angriffe übernommen. Die Ukraine zeigt sich zufrieden, hält sich aber bedeckt. Der russische Geheimdienst FSB spricht derweil von einem “Sabotageakt” und nimmt sechs Männer der islamistischen Organisation Hizb ut-Tahrir fest. Wer genau die Männer sind, verriet der FSB nicht. Während der Kreml Islamisten nicht offiziell für die Explosionen verantwortlich macht, wurden die Verhaftungen in der Krimstadt Dzhankoy vorgenommen, nicht weit von den beschädigten Munitionsdeponien entfernt. Dies lässt den Eindruck entstehen, dass die Festnahmen mit den Anschlägen zusammenhängen. Seit der russischen Annexion der Krim im Jahr 2014 wurden ukrainische Krimtataren mehrfach wegen Mitgliedschaft in Hizb ut Tahrir festgenommen und verurteilt. Die islamistische Gruppierung ist in Russland als Terrororganisation verboten. Die Hizb ut-Tahrir (arabisch für „Partei der Befreiung“) entstand nach Angaben der Federal Agency for Citizen Education Anfang der 1950er Jahre in Jerusalem und wurde vom palästinensischen Juristen Taqi ad-Din an-Nabhani gegründet. Der Kern ihrer Ideologie stellte zunächst die Befreiung Palästinas von der israelischen „Besatzung“ dar. In den folgenden Jahren verlagerte sich der Fokus von Hizb ut Tahrir auf die Befreiung aller Muslime auf der ganzen Welt von der vermeintlichen westlichen Unterdrückung. Auch in Deutschland gibt es Zweigstellen der Organisation. Sie operieren im Untergrund, da sie seit 2003 verboten sind.

“Kreml treibt Schauspieler voran”

Seit Ausbruch des Krieges in der Ukraine behaupten immer mehr arabische Gelehrte und Akademiker, die Krim und die Ukraine seien islamische Länder, die “zurückgewonnen” werden müssten, schreibt die Nahost-Denkfabrik Mena-Watch. Einer von ihnen, der jordanische Islamwissenschaftler Said Radwan, sagte im März in einem Interview, dass jedes Land, das einst von islamischem Recht regiert wurde, für immer ein islamisches Land sei. Ausgestrahlt wurde das Interview vom libanesischen Sender „Al-Waqiya TV“, der eng mit der Organisation Hizb ut-Tahrir verbunden sein soll. Die Islamisten haben also ein Motiv für die Anschläge auf der Krim. Und noch etwas: Große Teile der muslimischen Minderheit waren während der Sowjetzeit massiver staatlicher Repression ausgesetzt und lehnen die heutigen russischen Machthaber klar ab. Auch Russlands Intervention in Syrien spielt eine Rolle. Es bleibt jedoch zweifelhaft, ob Hizb ut-Tahrir hinter den jüngsten Anschlägen auf der Krim steckt. “Es gibt immer wieder islamistische Organisationen, die versuchen, auf dem Territorium der Russischen Föderation zu operieren”, sagt Politologe Stefan Meister gegenüber ntv.de. Es ist also nicht unmöglich. Für Meister klingt das allerdings eher nach einem Ablenkungsmanöver der Russen. Er sieht keine plausible Erklärung dafür, dass islamistische Gruppen plötzlich dort zuschlagen, wo die Ukraine angreift. Stattdessen übt der Kreml wahrscheinlich Druck auf andere Akteure aus, Kiew nicht zur Rechenschaft zu ziehen. „Die Ukraine für die Angriffe verantwortlich zu machen und damit zuzugeben, dass sie in der Lage ist, die Krim anzugreifen, ist für Russland äußerst problematisch“, sagte Meister.

Das Video zeigt die mutmaßliche Festnahme

Der Verteidigungsexperte Wolfgang Richter von der Deutschen Stiftung für Internationale Politik und Sicherheit (SWP) stimmt dem zu. Das wäre ein Reputationsverlust für Russland, sagt er gegenüber ntv.de. Es ist sehr wahrscheinlich, dass sich einzelne Aktivisten islamistischer Gruppen in der Gegend aufhalten. Richter hält es jedoch für unwahrscheinlich, dass es sich um Sabotageaktionen handelte. Videos von den ersten Explosionen in Novofeodorivka vor einer Woche ließen den Verdacht aufkommen, dass es sich um Raketenangriffe handelte. „Aufgrund der Reichweite und Treffsicherheit hätte es entweder eine Poseidon- oder eine HRIM2-Rakete der Ukrainer sein können“, vermutet Richter. Es gab mehrere Explosionen, die fast gleichzeitig innerhalb von mehreren hundert Metern auftraten. Bei einem Sabotageakt ist es schwer vorstellbar, dass sich mehrere Akteure gleichzeitig von weit entfernten Orten in das Gelände eines gut gesicherten Flughafens eingeschlichen haben könnten, um eine derart synchronisierte Symbolkette auszulösen. Für Sicherheitsexperte Stefan Meister sind die Explosionen Teil eines neuen Anschlags. „Wir befinden uns in einer neuen Phase des Krieges, in der die Ukraine in der Lage ist, Angriffe auf das Territorium der Krim zu starten. Wir werden dies häufiger angesichts der von Russland kontrollierten Gebiete sehen.“ Russland steckt Experten zufolge in einem Dilemma: Einerseits kann es Munitionsdepots oder Schlachtschiffen wie der Moskwa nicht ständig die Schuld an Explosionen zuschieben, weil das die Schwächen des russischen Militärs aufzeigen würde. Andererseits können sie die Ukraine auch nicht für die Angriffe verantwortlich machen, da sie anerkennen, dass die Ukraine zu solchen Angriffen fähig ist, und den Druck auf Russland erhöhen, zurückzuschlagen. Aber auch die Ukraine bekenne sich nicht offiziell dazu, “denn das würde sie in eine Eskalationsspirale treiben”, erklärt Meister. Unterdessen kursiert im Internet ein Video, das angeblich die Verhaftung eines Hizb-ut-Tahrir-Mitglieds zeigt. Es zeigt russische Soldaten, die in ein Haus marschieren und einem Mann die Hände auf den Rücken und gegen die Wand legen. Die ukrainische Journalistin Kateryna Sergatskova vom Online-Nachrichtenportal „Zaborona Media“ wirft dem FSB vor, die Festnahme inszeniert zu haben. Außerdem sollen die sechs Islamisten laut Richter vor der Explosion am Dienstag festgenommen worden sein. Wer wirklich hinter den Anschlägen auf der Krim steckt, wird sich erst in den kommenden Wochen zeigen.


title: “Russland Braucht Einen S Ndenbock Werden Islamisten Hinter Den Anschl Gen Auf Der Krim Verurteilt Klmat” ShowToc: true date: “2022-12-16” author: “Mary Ford”


Innerhalb weniger Tage bebte zum zweiten Mal der Boden auf der von Russland annektierten Halbinsel Krim. Mehrere Explosionen trafen russische Stützpunkte, darunter ein Munitionsdepot. Bisher hat niemand die Verantwortung für die Angriffe übernommen. Die Ukraine zeigt sich zufrieden, hält sich aber bedeckt. Der russische Geheimdienst FSB spricht derweil von einem “Sabotageakt” und nimmt sechs Männer der islamistischen Organisation Hizb ut-Tahrir fest. Wer genau die Männer sind, verriet der FSB nicht. Während der Kreml Islamisten nicht offiziell für die Explosionen verantwortlich macht, wurden die Verhaftungen in der Krimstadt Dzhankoy vorgenommen, nicht weit von den beschädigten Munitionsdeponien entfernt. Dies lässt den Eindruck entstehen, dass die Festnahmen mit den Anschlägen zusammenhängen. Seit der russischen Annexion der Krim im Jahr 2014 wurden ukrainische Krimtataren mehrfach wegen Mitgliedschaft in Hizb ut Tahrir festgenommen und verurteilt. Die islamistische Gruppierung ist in Russland als Terrororganisation verboten. Die Hizb ut-Tahrir (arabisch für „Partei der Befreiung“) entstand nach Angaben der Federal Agency for Citizen Education Anfang der 1950er Jahre in Jerusalem und wurde vom palästinensischen Juristen Taqi ad-Din an-Nabhani gegründet. Der Kern ihrer Ideologie stellte zunächst die Befreiung Palästinas von der israelischen „Besatzung“ dar. In den folgenden Jahren verlagerte sich der Fokus von Hizb ut Tahrir auf die Befreiung aller Muslime auf der ganzen Welt von der vermeintlichen westlichen Unterdrückung. Auch in Deutschland gibt es Zweigstellen der Organisation. Sie operieren im Untergrund, da sie seit 2003 verboten sind.

“Kreml treibt Schauspieler voran”

Seit Ausbruch des Krieges in der Ukraine behaupten immer mehr arabische Gelehrte und Akademiker, die Krim und die Ukraine seien islamische Länder, die “zurückgewonnen” werden müssten, schreibt die Nahost-Denkfabrik Mena-Watch. Einer von ihnen, der jordanische Islamwissenschaftler Said Radwan, sagte im März in einem Interview, dass jedes Land, das einst von islamischem Recht regiert wurde, für immer ein islamisches Land sei. Ausgestrahlt wurde das Interview vom libanesischen Sender „Al-Waqiya TV“, der eng mit der Organisation Hizb ut-Tahrir verbunden sein soll. Die Islamisten haben also ein Motiv für die Anschläge auf der Krim. Und noch etwas: Große Teile der muslimischen Minderheit waren während der Sowjetzeit massiver staatlicher Repression ausgesetzt und lehnen die heutigen russischen Machthaber klar ab. Auch Russlands Intervention in Syrien spielt eine Rolle. Es bleibt jedoch zweifelhaft, ob Hizb ut-Tahrir hinter den jüngsten Anschlägen auf der Krim steckt. “Es gibt immer wieder islamistische Organisationen, die versuchen, auf dem Territorium der Russischen Föderation zu operieren”, sagt Politologe Stefan Meister gegenüber ntv.de. Es ist also nicht unmöglich. Für Meister klingt das allerdings eher nach einem Ablenkungsmanöver der Russen. Er sieht keine plausible Erklärung dafür, dass islamistische Gruppen plötzlich dort zuschlagen, wo die Ukraine angreift. Stattdessen übt der Kreml wahrscheinlich Druck auf andere Akteure aus, Kiew nicht zur Rechenschaft zu ziehen. „Die Ukraine für die Angriffe verantwortlich zu machen und damit zuzugeben, dass sie in der Lage ist, die Krim anzugreifen, ist für Russland äußerst problematisch“, sagte Meister.

Das Video zeigt die mutmaßliche Festnahme

Der Verteidigungsexperte Wolfgang Richter von der Deutschen Stiftung für Internationale Politik und Sicherheit (SWP) stimmt dem zu. Das wäre ein Reputationsverlust für Russland, sagt er gegenüber ntv.de. Es ist sehr wahrscheinlich, dass sich einzelne Aktivisten islamistischer Gruppen in der Gegend aufhalten. Richter hält es jedoch für unwahrscheinlich, dass es sich um Sabotageaktionen handelte. Videos von den ersten Explosionen in Novofeodorivka vor einer Woche ließen den Verdacht aufkommen, dass es sich um Raketenangriffe handelte. „Aufgrund der Reichweite und Treffsicherheit hätte es entweder eine Poseidon- oder eine HRIM2-Rakete der Ukrainer sein können“, vermutet Richter. Es gab mehrere Explosionen, die fast gleichzeitig innerhalb von mehreren hundert Metern auftraten. Bei einem Sabotageakt ist es schwer vorstellbar, dass sich mehrere Akteure gleichzeitig von weit entfernten Orten in das Gelände eines gut gesicherten Flughafens eingeschlichen haben könnten, um eine derart synchronisierte Symbolkette auszulösen. Für Sicherheitsexperte Stefan Meister sind die Explosionen Teil eines neuen Anschlags. „Wir befinden uns in einer neuen Phase des Krieges, in der die Ukraine in der Lage ist, Angriffe auf das Territorium der Krim zu starten. Wir werden dies häufiger angesichts der von Russland kontrollierten Gebiete sehen.“ Russland steckt Experten zufolge in einem Dilemma: Einerseits kann es Munitionsdepots oder Schlachtschiffen wie der Moskwa nicht ständig die Schuld an Explosionen zuschieben, weil das die Schwächen des russischen Militärs aufzeigen würde. Andererseits können sie die Ukraine auch nicht für die Angriffe verantwortlich machen, da sie anerkennen, dass die Ukraine zu solchen Angriffen fähig ist, und den Druck auf Russland erhöhen, zurückzuschlagen. Aber auch die Ukraine bekenne sich nicht offiziell dazu, “denn das würde sie in eine Eskalationsspirale treiben”, erklärt Meister. Unterdessen kursiert im Internet ein Video, das angeblich die Verhaftung eines Hizb-ut-Tahrir-Mitglieds zeigt. Es zeigt russische Soldaten, die in ein Haus marschieren und einem Mann die Hände auf den Rücken und gegen die Wand legen. Die ukrainische Journalistin Kateryna Sergatskova vom Online-Nachrichtenportal „Zaborona Media“ wirft dem FSB vor, die Festnahme inszeniert zu haben. Außerdem sollen die sechs Islamisten laut Richter vor der Explosion am Dienstag festgenommen worden sein. Wer wirklich hinter den Anschlägen auf der Krim steckt, wird sich erst in den kommenden Wochen zeigen.


title: “Russland Braucht Einen S Ndenbock Werden Islamisten Hinter Den Anschl Gen Auf Der Krim Verurteilt Klmat” ShowToc: true date: “2022-11-04” author: “Emma Wright”


Innerhalb weniger Tage bebte zum zweiten Mal der Boden auf der von Russland annektierten Halbinsel Krim. Mehrere Explosionen trafen russische Stützpunkte, darunter ein Munitionsdepot. Bisher hat niemand die Verantwortung für die Angriffe übernommen. Die Ukraine zeigt sich zufrieden, hält sich aber bedeckt. Der russische Geheimdienst FSB spricht derweil von einem “Sabotageakt” und nimmt sechs Männer der islamistischen Organisation Hizb ut-Tahrir fest. Wer genau die Männer sind, verriet der FSB nicht. Während der Kreml Islamisten nicht offiziell für die Explosionen verantwortlich macht, wurden die Verhaftungen in der Krimstadt Dzhankoy vorgenommen, nicht weit von den beschädigten Munitionsdeponien entfernt. Dies lässt den Eindruck entstehen, dass die Festnahmen mit den Anschlägen zusammenhängen. Seit der russischen Annexion der Krim im Jahr 2014 wurden ukrainische Krimtataren mehrfach wegen Mitgliedschaft in Hizb ut Tahrir festgenommen und verurteilt. Die islamistische Gruppierung ist in Russland als Terrororganisation verboten. Die Hizb ut-Tahrir (arabisch für „Partei der Befreiung“) entstand nach Angaben der Federal Agency for Citizen Education Anfang der 1950er Jahre in Jerusalem und wurde vom palästinensischen Juristen Taqi ad-Din an-Nabhani gegründet. Der Kern ihrer Ideologie stellte zunächst die Befreiung Palästinas von der israelischen „Besatzung“ dar. In den folgenden Jahren verlagerte sich der Fokus von Hizb ut Tahrir auf die Befreiung aller Muslime auf der ganzen Welt von der vermeintlichen westlichen Unterdrückung. Auch in Deutschland gibt es Zweigstellen der Organisation. Sie operieren im Untergrund, da sie seit 2003 verboten sind.

“Kreml treibt Schauspieler voran”

Seit Ausbruch des Krieges in der Ukraine behaupten immer mehr arabische Gelehrte und Akademiker, die Krim und die Ukraine seien islamische Länder, die “zurückgewonnen” werden müssten, schreibt die Nahost-Denkfabrik Mena-Watch. Einer von ihnen, der jordanische Islamwissenschaftler Said Radwan, sagte im März in einem Interview, dass jedes Land, das einst von islamischem Recht regiert wurde, für immer ein islamisches Land sei. Ausgestrahlt wurde das Interview vom libanesischen Sender „Al-Waqiya TV“, der eng mit der Organisation Hizb ut-Tahrir verbunden sein soll. Die Islamisten haben also ein Motiv für die Anschläge auf der Krim. Und noch etwas: Große Teile der muslimischen Minderheit waren während der Sowjetzeit massiver staatlicher Repression ausgesetzt und lehnen die heutigen russischen Machthaber klar ab. Auch Russlands Intervention in Syrien spielt eine Rolle. Es bleibt jedoch zweifelhaft, ob Hizb ut-Tahrir hinter den jüngsten Anschlägen auf der Krim steckt. “Es gibt immer wieder islamistische Organisationen, die versuchen, auf dem Territorium der Russischen Föderation zu operieren”, sagt Politologe Stefan Meister gegenüber ntv.de. Es ist also nicht unmöglich. Für Meister klingt das allerdings eher nach einem Ablenkungsmanöver der Russen. Er sieht keine plausible Erklärung dafür, dass islamistische Gruppen plötzlich dort zuschlagen, wo die Ukraine angreift. Stattdessen übt der Kreml wahrscheinlich Druck auf andere Akteure aus, Kiew nicht zur Rechenschaft zu ziehen. „Die Ukraine für die Angriffe verantwortlich zu machen und damit zuzugeben, dass sie in der Lage ist, die Krim anzugreifen, ist für Russland äußerst problematisch“, sagte Meister.

Das Video zeigt die mutmaßliche Festnahme

Der Verteidigungsexperte Wolfgang Richter von der Deutschen Stiftung für Internationale Politik und Sicherheit (SWP) stimmt dem zu. Das wäre ein Reputationsverlust für Russland, sagt er gegenüber ntv.de. Es ist sehr wahrscheinlich, dass sich einzelne Aktivisten islamistischer Gruppen in der Gegend aufhalten. Richter hält es jedoch für unwahrscheinlich, dass es sich um Sabotageaktionen handelte. Videos von den ersten Explosionen in Novofeodorivka vor einer Woche ließen den Verdacht aufkommen, dass es sich um Raketenangriffe handelte. „Aufgrund der Reichweite und Treffsicherheit hätte es entweder eine Poseidon- oder eine HRIM2-Rakete der Ukrainer sein können“, vermutet Richter. Es gab mehrere Explosionen, die fast gleichzeitig innerhalb von mehreren hundert Metern auftraten. Bei einem Sabotageakt ist es schwer vorstellbar, dass sich mehrere Akteure gleichzeitig von weit entfernten Orten in das Gelände eines gut gesicherten Flughafens eingeschlichen haben könnten, um eine derart synchronisierte Symbolkette auszulösen. Für Sicherheitsexperte Stefan Meister sind die Explosionen Teil eines neuen Anschlags. „Wir befinden uns in einer neuen Phase des Krieges, in der die Ukraine in der Lage ist, Angriffe auf das Territorium der Krim zu starten. Wir werden dies häufiger angesichts der von Russland kontrollierten Gebiete sehen.“ Russland steckt Experten zufolge in einem Dilemma: Einerseits kann es Munitionsdepots oder Schlachtschiffen wie der Moskwa nicht ständig die Schuld an Explosionen zuschieben, weil das die Schwächen des russischen Militärs aufzeigen würde. Andererseits können sie die Ukraine auch nicht für die Angriffe verantwortlich machen, da sie anerkennen, dass die Ukraine zu solchen Angriffen fähig ist, und den Druck auf Russland erhöhen, zurückzuschlagen. Aber auch die Ukraine bekenne sich nicht offiziell dazu, “denn das würde sie in eine Eskalationsspirale treiben”, erklärt Meister. Unterdessen kursiert im Internet ein Video, das angeblich die Verhaftung eines Hizb-ut-Tahrir-Mitglieds zeigt. Es zeigt russische Soldaten, die in ein Haus marschieren und einem Mann die Hände auf den Rücken und gegen die Wand legen. Die ukrainische Journalistin Kateryna Sergatskova vom Online-Nachrichtenportal „Zaborona Media“ wirft dem FSB vor, die Festnahme inszeniert zu haben. Außerdem sollen die sechs Islamisten laut Richter vor der Explosion am Dienstag festgenommen worden sein. Wer wirklich hinter den Anschlägen auf der Krim steckt, wird sich erst in den kommenden Wochen zeigen.


title: “Russland Braucht Einen S Ndenbock Werden Islamisten Hinter Den Anschl Gen Auf Der Krim Verurteilt Klmat” ShowToc: true date: “2022-11-24” author: “Mary Ratliff”


Innerhalb weniger Tage bebte zum zweiten Mal der Boden auf der von Russland annektierten Halbinsel Krim. Mehrere Explosionen trafen russische Stützpunkte, darunter ein Munitionsdepot. Bisher hat niemand die Verantwortung für die Angriffe übernommen. Die Ukraine zeigt sich zufrieden, hält sich aber bedeckt. Der russische Geheimdienst FSB spricht derweil von einem “Sabotageakt” und nimmt sechs Männer der islamistischen Organisation Hizb ut-Tahrir fest. Wer genau die Männer sind, verriet der FSB nicht. Während der Kreml Islamisten nicht offiziell für die Explosionen verantwortlich macht, wurden die Verhaftungen in der Krimstadt Dzhankoy vorgenommen, nicht weit von den beschädigten Munitionsdeponien entfernt. Dies lässt den Eindruck entstehen, dass die Festnahmen mit den Anschlägen zusammenhängen. Seit der russischen Annexion der Krim im Jahr 2014 wurden ukrainische Krimtataren mehrfach wegen Mitgliedschaft in Hizb ut Tahrir festgenommen und verurteilt. Die islamistische Gruppierung ist in Russland als Terrororganisation verboten. Die Hizb ut-Tahrir (arabisch für „Partei der Befreiung“) entstand nach Angaben der Federal Agency for Citizen Education Anfang der 1950er Jahre in Jerusalem und wurde vom palästinensischen Juristen Taqi ad-Din an-Nabhani gegründet. Der Kern ihrer Ideologie stellte zunächst die Befreiung Palästinas von der israelischen „Besatzung“ dar. In den folgenden Jahren verlagerte sich der Fokus von Hizb ut Tahrir auf die Befreiung aller Muslime auf der ganzen Welt von der vermeintlichen westlichen Unterdrückung. Auch in Deutschland gibt es Zweigstellen der Organisation. Sie operieren im Untergrund, da sie seit 2003 verboten sind.

“Kreml treibt Schauspieler voran”

Seit Ausbruch des Krieges in der Ukraine behaupten immer mehr arabische Gelehrte und Akademiker, die Krim und die Ukraine seien islamische Länder, die “zurückgewonnen” werden müssten, schreibt die Nahost-Denkfabrik Mena-Watch. Einer von ihnen, der jordanische Islamwissenschaftler Said Radwan, sagte im März in einem Interview, dass jedes Land, das einst von islamischem Recht regiert wurde, für immer ein islamisches Land sei. Ausgestrahlt wurde das Interview vom libanesischen Sender „Al-Waqiya TV“, der eng mit der Organisation Hizb ut-Tahrir verbunden sein soll. Die Islamisten haben also ein Motiv für die Anschläge auf der Krim. Und noch etwas: Große Teile der muslimischen Minderheit waren während der Sowjetzeit massiver staatlicher Repression ausgesetzt und lehnen die heutigen russischen Machthaber klar ab. Auch Russlands Intervention in Syrien spielt eine Rolle. Es bleibt jedoch zweifelhaft, ob Hizb ut-Tahrir hinter den jüngsten Anschlägen auf der Krim steckt. “Es gibt immer wieder islamistische Organisationen, die versuchen, auf dem Territorium der Russischen Föderation zu operieren”, sagt Politologe Stefan Meister gegenüber ntv.de. Es ist also nicht unmöglich. Für Meister klingt das allerdings eher nach einem Ablenkungsmanöver der Russen. Er sieht keine plausible Erklärung dafür, dass islamistische Gruppen plötzlich dort zuschlagen, wo die Ukraine angreift. Stattdessen übt der Kreml wahrscheinlich Druck auf andere Akteure aus, Kiew nicht zur Rechenschaft zu ziehen. „Die Ukraine für die Angriffe verantwortlich zu machen und damit zuzugeben, dass sie in der Lage ist, die Krim anzugreifen, ist für Russland äußerst problematisch“, sagte Meister.

Das Video zeigt die mutmaßliche Festnahme

Der Verteidigungsexperte Wolfgang Richter von der Deutschen Stiftung für Internationale Politik und Sicherheit (SWP) stimmt dem zu. Das wäre ein Reputationsverlust für Russland, sagt er gegenüber ntv.de. Es ist sehr wahrscheinlich, dass sich einzelne Aktivisten islamistischer Gruppen in der Gegend aufhalten. Richter hält es jedoch für unwahrscheinlich, dass es sich um Sabotageaktionen handelte. Videos von den ersten Explosionen in Novofeodorivka vor einer Woche ließen den Verdacht aufkommen, dass es sich um Raketenangriffe handelte. „Aufgrund der Reichweite und Treffsicherheit hätte es entweder eine Poseidon- oder eine HRIM2-Rakete der Ukrainer sein können“, vermutet Richter. Es gab mehrere Explosionen, die fast gleichzeitig innerhalb von mehreren hundert Metern auftraten. Bei einem Sabotageakt ist es schwer vorstellbar, dass sich mehrere Akteure gleichzeitig von weit entfernten Orten in das Gelände eines gut gesicherten Flughafens eingeschlichen haben könnten, um eine derart synchronisierte Symbolkette auszulösen. Für Sicherheitsexperte Stefan Meister sind die Explosionen Teil eines neuen Anschlags. „Wir befinden uns in einer neuen Phase des Krieges, in der die Ukraine in der Lage ist, Angriffe auf das Territorium der Krim zu starten. Wir werden dies häufiger angesichts der von Russland kontrollierten Gebiete sehen.“ Russland steckt Experten zufolge in einem Dilemma: Einerseits kann es Munitionsdepots oder Schlachtschiffen wie der Moskwa nicht ständig die Schuld an Explosionen zuschieben, weil das die Schwächen des russischen Militärs aufzeigen würde. Andererseits können sie die Ukraine auch nicht für die Angriffe verantwortlich machen, da sie anerkennen, dass die Ukraine zu solchen Angriffen fähig ist, und den Druck auf Russland erhöhen, zurückzuschlagen. Aber auch die Ukraine bekenne sich nicht offiziell dazu, “denn das würde sie in eine Eskalationsspirale treiben”, erklärt Meister. Unterdessen kursiert im Internet ein Video, das angeblich die Verhaftung eines Hizb-ut-Tahrir-Mitglieds zeigt. Es zeigt russische Soldaten, die in ein Haus marschieren und einem Mann die Hände auf den Rücken und gegen die Wand legen. Die ukrainische Journalistin Kateryna Sergatskova vom Online-Nachrichtenportal „Zaborona Media“ wirft dem FSB vor, die Festnahme inszeniert zu haben. Außerdem sollen die sechs Islamisten laut Richter vor der Explosion am Dienstag festgenommen worden sein. Wer wirklich hinter den Anschlägen auf der Krim steckt, wird sich erst in den kommenden Wochen zeigen.